Adieu Paris | Roman by Daniel Anselme

Adieu Paris | Roman by Daniel Anselme

Autor:Daniel Anselme [Anselme, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783037900826
Herausgeber: Oetinger E-Books
veröffentlicht: 2015-08-20T16:00:00+00:00


Kapitel 8

Auf den ersten Blick ähnelt das Café des Vrais Sportifs in der kleinen Straße hinterm Palais des Sports einer schlichten Trinkhalle, wo man am halbrunden Tresen im Stehen trinkt. Es gibt in einer Ecke nur einen einzigen Tisch, an dem im Übrigen gerade die Wirtsleute Abendbrot aßen, als Lachaume hereinkam. Merkwürdiger Ort für eine Verabredung.

Es war acht Uhr. Lasteyrie und Valette würden jeden Augenblick kommen. Er bestellte ein Sandwich als Ersatz fürs Abendessen; das Basketballturnier, zu dem sie wollten, begann um halb neun.

»Wollen Sie sich setzen?«, fragte der Wirt und deutete mit dem Messer über seine Schulter.

Lachaume guckte entgeistert.

»Da hinten!«, meinte der Wirt.

Ganz offenbar führte die Tür links neben dem Tresen, auf der Toilette/Telefon stand, zu zwei hintereinander gelegenen Räumen, einem kleinen mit Sitzbänken und Tischen und einem großen mit niedriger Decke, in dem die Billardtische standen, auf die das Schild des Lokals hinwies.

Er setzte sich in den kleinen Raum, in dem bislang nur eine blonde junge Frau allein an einem der Tische saß. Weiter hinten spielten zwei Männer schweigend an einem Billardtisch, beleuchtet von einem an der niedrigen Decke befestigten Scheinwerfer; der Rest lag im Dunkeln.

Die junge Frau hatte noch nichts zu trinken bestellt, ganz wie bei einem echten Rendezvous. Die gemeinsam aufgegebene Bestellung gehört zum Verliebtsein dazu. Lachaume erinnerte sich vage an diese Gesetzmäßigkeit. Dann war er sich plötzlich hundertprozentig sicher, dass die junge Frau auf Lasteyrie wartete. Sie war gepflegt, traurig, hatte sich die Lippen rot angemalt, die Wimpern zu schwarz getuscht und trug einen beigefarbenen Plüschmantel, der weder ärmlich noch luxuriös war, jene Art Mantelphänomen, an dem die Pariser Soziologen sich abarbeiten.

Was für eine merkwürdige Idee, sich an diesem abgelegenen Ort mit jemandem zu verabreden, während es vor dem Palais des Sports zig Kneipen gibt …

Valette war der Erste, schlecht gelaunt kam er hereingeschlurft. Er war in Uniform, sein Käppi hielt er zusammengeknautscht in der Hand. Er nickte kurz zur Begrüßung und ließ sich auf die Sitzbank fallen.

»Hast du dich verkleidet?«, fragte Lachaume leise.

Er bestätigte, während er woanders hinsah.

»Ist ja echt eine Höhle hier!«, meinte er schließlich und deutete mit dem Kinn in den Raum. »Guck mal, das Mädchen da drüben«, fügte er leise hinzu. »Ich wette, die wartet auf Lasteyrie.«

»Hundertpro«, meinte Lachaume.

Angesichts der Stille um sie herum, und weil sie wegen der jungen Frau so flüsterten, wirkte der Ort – diese Höhle, wie Valette gesagt hatte – noch geheimnisvoller auf ihn. Wenn am frühen Abend noch nicht viel los ist und die Wirte das Licht dimmen, um Strom zu sparen, bekommen bestimmte Kneipen etwas Unheimliches und Verschwörerisches, was jemanden mit lebhafter Phantasie an das geheime und verbotene Leben in dieser Stadt denken lässt, das Balzac beschrieben hat, ein Leben, an dem Paris ganz offensichtlich den Spaß verloren hat, zu dem es inzwischen jedenfalls nicht mehr fähig ist. Lachaume hatte den Tag damit zugebracht, durch Paris zu laufen, als wollte er sich darin verirren oder verkriechen. Doch ein Dutzend Generationen von Polizeipräfekten wachte über ihn. Der Dschungel aus geheimen Straßen ist auf geschickte Weise gezähmt



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